Impressionen aus den Kriegstagen des I. Weltkrieges Festgehalten von Oberst Pichler, einstiger Besitzer des “Lindenhofes”, der im Osten an Rainfeld grenzt
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1914 war die kleine Anna List aus Rainfeld 9 Jahre alt. 70 Jahre später schrieb sie folgende Zeilen für die Nachwelt nieder.
Die Kinderzeit: aus dem Jahre 1915-18, der Weltkrieg, den wir erleben mußten und wir haben ihn wirklich überlebt, trotz Hunger und Not und allem Traurigen. Als es hieß - Kriegserklärung, war ich 9 Jahre alt. Und alsbald wurden die jungen Männer einberufen. Wir konnten uns darunter natürlich nichts vorstellen. Als wir aber die Rekruten zu sehen bekamen, mit ihren geschmückten Hüten, die glitzernde Sträußchen in den Hutbändern stecken hatten, das war doch ein Ereignis, das wir noch nicht kannten. Und sie feierten natürlich in den Gasthäusern und riefen dabei hois hois ... Es war ein Tumult, weil wir anschließend dem Wirtshaus wohnten, haben wir das miterlebt. Diese armen Teufel dachten nicht an Tod oder Krüppel sein. Gsund, grad gewachsen mußten sie sein, kein Finger durfte fehlen, gut sehen und so weiter, also gerade passend zum zusammenschießen. Als dann eines Tages der Zug durchgefahren war bei unserer Ortschaft - Abschied für immer - wurde noch von der Bevölkerung fleißig gewunken, sie lehnten sich zum Waggonfenster heraus, - Kanonenfutter, die Frauen weinten, wir Kinder waren über das viele Neue ganz durcheinander. Nach einiger Zeit, als die Zeitungen schon etwas dahertragen von Sieg und vordringen usw., sah man schon öfter eine Frau mit verweinten Augen uns sie klagte und weinte: der Franzl ist gefallen. Und wir Kinder, die ja nicht wußten, was gefallen sei, standen auch kleinlaut daneben, auch unsere Mutter weinte. Und so vergingen die Tage, alles ging seinen Gang und draußen im Kriegsgebiet tobte die Furie Krieg. Als es dann schon mit den Lebensmitteln nicht mehr klappte, hieß es einschränken, es war so manches nicht mehr zu bekommen. Dann kam die Rationierung, es mußte von den Frauen streng e ingeteilt werden, natürlich gabs kein Sattessen. Wir haben wahrhaftig gehungert. Ich mußte vor dem in die Schule gehen in den Konsum, weil Brotausgabe war. Ein viertel Laib Brot pro Kopf und Woche. Zu Hause angekommen, wurde für Jedes das Viertel heruntergeschnitten. Wir teilten das Viertel in sieben Schnitten, für jeden Tag eine. Dann teilte die Mutter den Kaffee aus. Es war gebrannter Roggen und hieß Perlroggen. Gesüsst mit Rohzucker uns Sacharin und dann wurde das schon eingewickelte Brot schon hergerichtet um es zu verstecken um nicht in Versuchung zu kommen. Aber der Heißhunger war größer, es nutzte nichts, wir rissen Scheibe für Scheibe herunter und spürten endlich einmal etwas im Magen. Aber dann ganze Woche kein Brot. Es gab keine Jause mit in die Schule, außer im Herbst weiche Birnen. Gegessen haben wir alles was uns unterkam im Freien. Auch die Milch war rationiert und wir mußten stundenlang zu einemvorgeschriebenen Bauern gehen. Vor der Schule um 5 Uhr aufgeweckt einmal weit hinten im Pfenningbachgraben, einmal in Kerschenbach. Erster hieß Gredlbauer, der nächste Kaarlholzer, und dann noch Schallnstainer. Im Herbst und Winter war es stockfinster, gefürchtet hab ich mich immer sehr. Keine guten Schuhe, geschenkte Kleider meistens, wir waren in ziemlich ärmlichen Verhältnissen. Wir waren 3 Geschwister, ein Bruder, geboren 1910, eine Schwester, 1908 und ich 1905. Wir hatten nichts besonderes an Spielzeug. Das Meiste waren Geschenke von Freundinnen meiner Mutter, die in Stellung waren, teilweise im Ausland. Und auf deren Besuch wir uns immer riesig freuten. Das waren unsere Verbindungen mit der weiten Welt. Die Erzählungen mußten uns das alles ersetzen, was die Kinder von heute (1980) alles haben. Da war das Frl Anna, sie stammte aus dem Halbachtal, kam halt mit 14 Jahren in den “Dienst” nach Wien. Von dort nach Baden bei Wien - auf den Semmering - nach Ischl - und dann nach Abbazia ... oh da konnte sie erzählen! Sie war sehr hübsch und hatte wunderbare Kleider, ich war hanz verliebt in sie, auch sehr schöne Photos gab es damals. Auf einem hatte sie ein herrliches schwarzes Spitzenkleid an und sah aus wie eine Königin. Sie hatte gut verdient und schöne Ersparnisse. Und sie hatte im Sinn, sich selbstständig zu machen, entweder Fremdenpension oder Hotel etc. Aber es kam anders: Leider hatte sie mit ihrem sauer erspartem Geld Kriegsanleihen gezeichnet und alles verloren. Sie war nahe dem Selbstmord vor Kummer. Ja, so wurde das Volk betrogen, nicht genug, das hunderttausende ihr Leben auf dem Schlachtfeld verloren haben, oder als Krüppel ihr Leben verbringen mußten ...
Agnes Daxböck schreibt am 15. Juli 1917
... Ich gehe jetzt auch viel in die Berge um Himbeeren. Diese sind heuer sehr schön und gut. So holt man sich eben, was es zum Holen gibt. Zucker zum Einkochen haben wir wohl nicht, man ißt sie halt so alle zusammen. Wenn ich so über die Berge schaue, wie alles so schön ist in dieser Sommerherrlichkeit, da stimmt es in der Brust so weh, weil man denken muß, es ist Krieg in allen Orten und so viel von der schönen Gotteswelt wird zerstört ...
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